Artikel 20a [Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere]
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
I. Staatsziel – Staatsaufgabe
Die Bestimmung wurde 1994 eingefügt, 2002 um den Tierschutz erweitert; sie ist geltendes Verfassungsrecht, nicht unverbindliches Programm. Ihre gängige Bezeichnung als „Staatsziel“ (vgl. Art. 191 AEUV) ist nicht unproblematisch, da ein zu erreichender Zustand nicht vorgegeben ist (vgl. Rn. 8; anders etwa Art. 3 II 2, Art. 23 I) obgleich er eine bindende verfassungsrechtliche Zielsetzung enthält (BT-Drs. 12/6000, 67). Festgelegt wird eine Staatsaufgabe, iSe zu verfolgenden Staatszwecks, sowie der Komplex der zu sichernden Rechtsgüter und deren Verfassungsrang. Zu den Schutzformen ist nichts ausgesagt, außer dass sie sich gegen staatliches Verhalten richten. 20a ist eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten des Umweltschutzes (DHS/Scholz Art. 20a Rn. 18) wie des Tierschutzes. Art. 191 AEUV ist bei der Auslegung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten (Jarass/Peroth/Jarass Art. 20a Rn. 1).
Art. 20a ist aufgrund Fehlens subjektiver Rechte kein Grundrecht (BVerfGE 157, 30 (95); BVerwG NVwZ 1998, 1081; MKS/Epiney Art. 20a Rn. 38; DHS/Scholz Art. 20a Rn. 33), kann aber Grundrechte verstärken, insbes. im Umweltrecht (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 20a Rn. 1) Das Umweltrecht ist in voller Entwicklung. Rechtliche Stellungnahmen werden jedoch oft durch umweltpolitische Überzeugungen geprägt. Daher ist gerade hier sorgfältige und sachliche Beurteilung Verfassungsgebot, insbes. im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Rn. 34). Art. 20a verpflichtet die drei Gewalten, insbes. die Gesetzgebung, nicht aber Private (DHS/Scholz Art. 20a Rn. 45; Rn. 10).
II. Natürliche Lebensgrundlagen
1. (Nur) des Menschen
Str. ist, ob nur die Lebensgrundlagen des Menschen geschützt sind (Anthropozentrik) oder die „des (allen) Lebens“, so der Wille der Verfassungsgeber (vgl. Sachs/Murswiek Art. 20a Rn. 22, 26). Für Ersteres spricht der Wortlaut (künftige Generationen), die rechtliche Unfassbarkeit eines Schutzes „aller Lebensgrundlagen“ und die rechtliche Höchstwertigkeit des Menschen (Art. 1 I). Er ist auch zur Achtung der „Schöpfung“ als eines, insbes. in religiöser Sicht, menschenbezogenen Eigenwertes verpflichtetet. „Natürlichkeit“ verlangt auch in dieser konsensgetragenen Sicht Achtung der Eigengesetzlichkeiten der „Natur“ und beinhaltet ein Verbot, diese schrankenlos durch „Menschengesetzlichkeit“ zu verdrängen. Ein Schädlingsschutzgebot um seiner selbst willen deckt Art. 20a jedoch nicht. Durch Abwägungen darf die Höchstwertigkeit menschenbezogener Verfassungsgüter nicht überspielt werden.
2. Schutzgüter des Umweltschutzes
Unter Schutz steht die gesamte natürliche Umwelt, das sind die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden, auch das Grundwasser (BVerfGE 102, 1 (18)). Weiter werden (in der Umwelt befindliche) Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in ihren Lebensräumen geschützt sowie die Beziehungen zwischen diesen Elementen (Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20a Rn. 3), nicht in seiner einzelnen Erscheinungsform sondern in seiner Gesamtheit: Geschützt wird das Landschaftsbild (BVerwGE 104, 68 (76); BVerwG NJW 1995, 2649; DHS/Scholz Art. 20a Rn 36), die biologische Vielfalt (BVerfGE 128, 1 (37)) und die Bodenschätze (MKS/Epiney Art. 20a Rn. 18). Erfasst wird auch der Klimaschutz (BVerfGE 137, 350 (369); 157, 30 (138); BVerwGE 125, 68 (71)), Der Regelungsgegenstand des Art. 20a wird weithin mit dem des Umweltschutzes gleichgesetzt (vgl. Art. 191 I AEUV); er soll alles umfassen, was „Nicht-Menschenwerk“ ist oder nicht auf Änderungen des Naturgegebenen durch Menschen zurückgeht, also auf kultivatorische, soziale, technische Einwirkungen. Eine solche allg. Abgrenzung ist jedoch schwer vollziehbar: Die Erhaltung (nur) „menschenferner Naturlandschaft“ ließe fast alle Schutzgüter des bereits herkömmlichen Umweltschutzes schutzlos; die „Kulturlandschaft“ wird ebenfalls geschützt, auch das „Landschaftsbild“ (BVerwG NJW 1995, 2648 (2649)). Art. 20a zieht aber weiteren menschlichen Einwirkungen auf natürliche Lebensgrundlagen Schranken und gebietet, jene zurückzudrängen, soweit dies der Schutz anderer Rechtsgüter gestattet. Umweltschutz bezieht sich auf alles, was zum physisch-psychischen Leben des Menschen unbedingt erforderlich ist, also auf dessen Grundlagen, und nur in diesem Umfang, also nicht auf alle Möglichkeiten eines angenehmen Lebens; insoweit sichert Art. 20a nur einen Mindestschutz. Sein Gegenstand ist jedoch weit. Geschützt sind alle Lagen der belebten und unbelebten Natur. Zum besonderen Tierschutz vgl. Rn. 7.
3. „Künftige Generationen“
Der Ausdruck bedeutet rechtlich, dass die natürlichen Lebensgrundlagen „auch“ langfristig – dh koordiniert mit kurz- und mittelfristigem Schutz – zu sichern sind; eine über rechtsstaatliche Absehbarkeit hinausreichende „Längstfristigkeit“ oder gar eine Ewigkeitswirkung verlangt dies nicht. Geschützt wird die Umwelt in der Zukunft (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 20a Rn. 6). Relevant ist das insb. für den Klimaschutz (BVerfGE 157, 30 (140 ff.)). Verlangt wird die Einbeziehung von Langzeitrisiken (MKS/Epiney Art. 20a Rn. 31), insbes. durch die Teilprinzipien der Vorsorge und der Nachhaltigkeit Bedeutung hat diese Perspektive vor allem für den Umgang mit erneuerbaren Lebensgrundlagen (Ressourcen, Energien); hier ist ein Schutz aber nur unter einem Vorbehalt absehbarer künftiger Erkenntnisse geboten.
„Natürliche Lebensgrundlagen“ wie „künftige Generationen“ beziehen sich auf die deutschen staatlichen Einfluss- und Regelungsmöglichkeiten (vgl. dazu MKS/Epiney Art. 20a Rn. 23), die durch Völkerrecht (Territorial- und Personalhoheit, Interventionsverbot) begrenzt sind. Nationale Verpflichtungen zu gemeinschafts- und internationalrechtlich gebotenen Bemühungen der zuständigen deutschen Staatsinstanzen sind aber durch Art. 20a erfasst und können auch verfassungsgerichtlich erzwungen werden.
III. Tierschutz
Alle einzelnen Tiere sind geschützt, sofern sie Leidens- und Empfindungsfähigkeit besitzen (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 20a Rn. 12), gegen (Zulassung der) Zufügung von Leiden und Schäden, was „ethisch begründet“ ist (BVerfGE 127, 293 (328)); dies kann sich mit deren Arten- und Gattungsschutz überschneiden, der durch die Sicherung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet wird (Rn. 4–6). Wenn „Tier“ im biologischen/zoologischen Sinn zu verstehen sein sollte, wäre die Abgrenzung des Begriffs unter Umständen wissenschaftlich problematisch oder der Schutz abwegig (Seuchenerreger). Daher wird das Wort weithin iSd herkömmlichen Tierschutzes verstanden, verbietet also insbes. auch „unnötige Tierquälerei“ von Versuchstieren. Eine Unterscheidung – etwa in verhältnismäßiger Schutzabstufung – nach der „Empfindungsfähigkeit“ „höherer“ Tiere ist kaum nachvollziehbar. Herkömmlich wird allerdings nach deren Wahrnehmung durch den Menschen entschieden („… denn es fühlt wie du den Schmerz“), was übrigens den – insoweit jedenfalls notwendigen – Menschenbezug (Rn. 3) belegt. Der Schutz des Menschen hat gegenüber dem Tierschutz Vorrang (vgl. BVerfGE 110, 131 (166)). Den normsetzenden Organen steht bei diesem ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 127, 293 (328)). Keine Rolle spielt, ob die Tiere im Eigentum des Beeinträchtigers stehen.
IV. Schutzformen, Schutzniveau
Schutzformen werden in Art. 20a nicht angesprochen. Nach allg. Grundsätzen wird Schutz hier durch Unterlassen von Eigen- und Abwehr von Fremdschädigung sowie durch Anreiz zu Eigen- und Drittförderung geboten. Der Staat, dem allein dieser Schutz obliegt (Rn. 10), ist also, im Rahmen der rechtsstaatlichen Kriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, frei in der Wahl der – wirksam(st)en – Schutzformen. Die staatlichen Schutzpflichten gehen hier nicht weiter als nach Art. 2 II 1; verfassungswidrig ist nur ein Zustand, in dem Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen worden oder die Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerwG BauR 2011, 1150 (1151)). Ein unbedingt oder doch optimal zu erreichendes Schutzniveau ergibt sich aus Art. 20a nicht, ebenso weder ein Integritäts- noch ein Verbesserungsgebot oder ein Verschlechterungsverbot der Gesamtsituation der Umwelt (aA MKS/Epiney Art. 20a Rn. 65), auch nicht ein maximales oder minimales Schutzniveau. Nach Art. 191 II AEUV strebt die EU ein „hohes“ Schutzniveau an. Derartiges ist aber rechtlich schwer definierbar und daher rechtsstaatlich kaum vollziehbar.
Art. 20a zielt zunächst nicht nur auf die Abwehr konkreter Gefahren für die Umwelt, sondern auch auf die Vorsorge (BVerfGE 128, 1 (37); 137, 350 (369); BVerwG NVwZ 1998, 952 f.; MKS/Epiney Art. 20a Rn. 73; vgl. Art. 191 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 AEUV; zum Begriff vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 5 Rn. 46 ff.). Ein Vorsorgeprinzip soll, in Konkretisierung der Schutzformen (vgl. Art. 191 II 1 AEUV), gelten (BVerwG NVwZ 1998, 952), das Schutzmaßnahmen auch ohne konkrete Gefährdung zulässt/erfordert; Derartiges ist, wenn dadurch Drittrechte berührt werden (vgl. Rn. 10, 15 ff.), allenfalls zulässig, soweit rechtsstaatliche Schutznotwendigkeit besteht. Ein Verursacherprinzip, mit der Folge der Kostenzurechnung, lässt sich Art. 20a ebenso wenig entnehmen wie ein genereller Vorrang der Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen an deren Ursprung. Über all diese Formen und Möglichkeiten ist in der jew. Einzelkonstellation zu befinden, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit. Die Bedeutung eines Nachhaltigkeitsprinzips (vgl. Sachs/Murswiek Art. 20a Rn. 37; s. auch Art. 11 AEUV), wichtig vor allem zur Ressourcenschonung, erlaubt eine Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen nur in dem Maße, wie ihre Nutzbarkeit auch durch künftige Generationen gewährleistet ist (Jarass/Pieroth/Jarass Art. 20a Rn. 10) und wird durch die Verantwortung für künftige Generationen (Rn. 5) in der Zeitdimension begründet. Gleiches gilt für den Umfang der Ressourcennutzung, der ein spezifisches umweltschützendes Sparsamkeitsprinzip begründen mag.
V. Adressaten der Schutzpflicht
1. „Staat“ – nicht Private, „Gesellschaft“
Allein der Staat ist durch Art. 20a rechtlich gebunden (verpflichtet), dh alle Organe von Bund, Ländern, Gemeinden und (anderen) juristischen Personen des öffentlichen Rechts, in der Erfüllung von Staatsaufgaben, in hoheits- oder privatrechtlichen Formen. Adressaten sind nicht Bürger und Staatsinstanzen, soweit diese auch nach ihrer Zielsetzung (Erwerbswirtschaft) tätig werden wie Private. Auch eine Verpflichtung „der Gesellschaft“, insbes. der „sozialen Gewalten“ im Verbandsbereich, ergibt sich aus Art. 20a nicht. Die staatliche Hoheitsgewalt kann allerdings durch Maßnahmen aller drei Staatsgewalten (Gesetze, VAe, Gerichtsentscheidungen) sämtliche Private zur Beachtung/aktiven Befolgung staatlicher Schutzvorgaben anhalten – aber nur im Rahmen der Einschränkungsmöglichkeiten solcher Rechtswirkungen des Art. 20a (Rn. 11 ff.); einen allg. Staatsauftrag, der von deren Beachtung entbände, gibt es nicht.
2. Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung
Der weite (Rn. 2 ff.) Schutzbereich kann nur durch einfache Gesetzgebung gesichert werden. Die marginalen Verfassungsvorgaben (vgl. Rn. 3 ff.) sind derart allg., dass der Gesetzgeber sie nicht konkretisieren kann, es wird vielmehr auf seine Regelungen verwiesen (vgl. BFHE 181, 515 (519); problematisch: „weites Ermessen“, BVerwG NJW 1995, 2648 (2649)). Von einem Gesetzgebungsauftrag, etwa zur Einführung einer Verbandsklage (BVerwGE 101, 73 (83)), kann nicht die Rede sein. Eine Verpflichtung zu spezieller Gesetzesbegründung besteht nicht.
Für die Verwaltung gilt Gleiches. Art. 20a stellt ihr als solcher keine gesetzliche Grundlage zur Verfügung; dies gilt auch für (finanzielle) Fördermaßnahmen. Art. 20a kann haushaltsrechtliche Ermächtigungen nicht ersetzen.
Die Rspr. ist an Art. 20a als geltendes Verfassungsrecht gebunden (Art. 20 III), jedoch nur entspr. dessen normativem Inhalt, insbes. seiner orientierenden Verweisung auf einfaches Gesetzesrecht (Rn. 11). Ein Verwerfungsrecht einfachen Rechts kommt angesichts des insoweit kaum fassbaren Norminhalts allenfalls in Extremfällen in Betracht, etwa bei eindeutiger Verfehlung der Nachhaltigkeit (Rn. 9). Ein Richterrecht zum Umweltschutz kann sich insoweit entwickeln, in Ergänzung einfachen Gesetzesrechts. Der – naheliegenden – Gefahr, dass dieses damit „überspielt“ werden könnte (vgl. BVerwG NVwZ 1998, 1080 (1081); BFHE 184, 226 (231)), muss sich die Judikative stets bewusst sein.
VI. Verfassungsrechtliche Schranken des Umweltschutzes
1. Verfassungsmäßige Ordnung
Der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ wird ausdrücklich in der Form des Art. 20 III (Art. 20 Rn. 37 ff.) als normativer Rahmen festgelegt. Zu ihr gehören die Bindungen der drei Staatsgewalten (Rn. 11–13). „Rahmen“ ist nach allg. wie juristischem Sprachgebrauch nicht iSe Gleichordnung von Rahmen und in diesem Eingefügtem zu verstehen; Letzteres wird vielmehr durch ersteren normativ begrenzt. Umweltschutz darf also die verfassungsmäßige Ordnung nicht verletzen, was für deren Überordnung, nicht Gleichordnung, spricht. Dass andererseits Art. 20a seinerseits zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört und sogar in redaktioneller Nähe zu Art. 20 steht, ändert daran deshalb nichts, weil Art. 20a angesichts seiner weiten, anders rechtsstaatlich gar nicht vollziehbaren Fassung weitestgehend Verweisungscharakter hat, und die Umwelt ja auch nur „durch die Gesetzgebung“ geschützt werden soll. Daraus folgt, dass Umweltschutzbelange Schutzgütern der Grundrechte grds. nicht gleich-, sondern nachgeordnet sind. Dies schließt nicht aus, dass diese (auch) unter Berücksichtigung des Umweltschutzes zu bestimmen sind.
2. Grundrechte als Schranken
Weder ein Grund- noch ein grundrechtsgleiches, ja überhaupt kein subjektives Recht verleiht Art. 20a (hL, vgl. BVerwG NVwZ 1998, 1080 (1081)), auch nicht Verbänden (zum Tierschutz, BVerwGE 71, 163 (165)), was für den Nachrang des Umweltschutzes gegenüber den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern spricht (vgl. Art. 1 II, III). Deren Sicherung darf auch nicht im Namen von „Wertungsverschiebungen durch Art. 20a“ (vgl. Sachs/Murswiek Art. 20a Rn. 72a) überspielt – besser unterspült – werden.
Derartiges droht insbes. gegenüber dem Schutzgut des Eigentums Privater (Art. 14 I 1), durch Wertungsverstärkung zugunsten der Sozialbindung (vgl. BVerfG [K] NVwZ 1997, 159; NJW 1998, 367 (368)). Viele Vertreter des Umweltschutzes haben sich seit dessen Anfängen vornehmlich eigentumsbeschränkende Ziele gesetzt. Im Namen des Umweltschutzes sollen nicht nur (alle) Gesetzesvorbehalte freiheitseinschränkend akzentuiert, sondern auch vorbehaltlos garantierte Grundrechte, wie Forschungsfreiheit, Kunstfreiheit, Religionsfreiheit (vgl. BVerfG [K] NJW 2002, 1485) durch Abwägung relativiert werden. Noch weitergehend können dann alle unbestimmten Rechtsbegriffe, insbes. das öffentliche Interesse (Sachs/Murswiek Art. 20a Rn. 68) umweltschützerisch „umgeprägt“ werden, ja sogar privat gesetzte Umweltstandards. Über entspr. „Begründungspflichten“ für Verwaltungsentscheidungen und Gerichtsurteile können dann konkrete Rechtspositionen entstehen, Rechtswege eröffnet werden.
Insbes. die Rspr. muss gerade hier nicht nur rechtsstaatliche Vorhersehbarkeit, sondern materiellen, freiheitsschützenden Grundrechtsgehalt auf „hohem Niveau“ gewährleisten. Denn die grds. voll legitimen und dringend erforderlichen Umweltbemühungen werden schon bisher vom Staat zunehmend und schwerwiegend grundrechtsgefährdend zur Schonung eigener Finanzressourcen auf die Bürger abgebürdet. Der Staat muss an seine eigene Schutzverpflichtung aus Art. 20a erinnert werden: Dies ist ein rechtlich fassbarer Verfassungsinhalt – damit Freiheitsschutz für den Bürger.
VII. Einzelfälle
Art. 20a hat aufgrund einiger zwischenzeitlich ergangenen Urteile in den Bereichen Umweltschutz und Tierschutz erfreulicherweise an Konturierungen gewonnen:
So ist im Bereich des Umweltschutzes der in Art. 20a enthaltenen Klimaschutzverpflichtung zu entnehmen, dass Maßnahmen, hilfsweise Anpassungsmaßnahmen gegen die anthropogene Erderwärmung zu ergreifen sind (BVerfGE 157, 30 (113 f.)). Auf internationaler Ebene ist ferner auf einen ausreichenden Klimaschutz hinzuwirken (BVerfGE 157, 30 (140 ff.)), verbunden mit der Feststellung, dass die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes über 2030 hinaus unzureichend sind (Rn. 257 ff.). Für umweltbelastende Tätigkeiten werden Abgaben als rechtmäßig erachtet, so etwa beim Flugverkehr (BVerfGE 137, 350 (369 und 377 f.)). Auch im Interesse künftiger Generationen ist besondere Sorgfalt beim Schutz gegen die Gefahren der Gentechnik geboten (BVerfGE 128, 1 (37)).
Im Bereich des Tierschutzes ist klargestellt, dass der Schutz von Menschen Vorrang vor dem Tierschutz hat (BVerfGE 127, 293 (329 f.)). Art. 20a kann ein Verbot von artenwidrigem sexuellem Verhalten rechtfertigen (BVerfG [K] 8.12.2015 – 1864/14 Rn. 13), das systematische Töten männlicher Küken (BVerwGE 166, 32 (38)) oder das Schächten aus religiösen Gründen hingegen zulassen (BVerwGE 127, 183 (186 f.)).